Lutz digitales Spiele-Café
Episode 4:
Können sie etwas mit den Abkürzungen ZAT oder PBM anfangen? Oder ganz schrecklich NMR. Beim letzten Mal hatte ich darübergeschrieben, dass mich das digitale Spielen an die Ära der Postspiele erinnert. Natürlich können die digitalisierten Spiele „live“ gespielt werden, dann sitzen die Teilnehmer/innen zu Hause vor ihrem Rechner und spielen ein Spiel „gemeinsam“. Verbunden über eine Plattform, über die während des Spiels kommuniziert wird. Doch genauso populär sind Runden basierte Spiele, bei denen die Spieler aufgerufen (per Mail) werden, ihren Spielzug zu machen. Die Spieler müssen nicht zeitgleich präsent sein, sondern sollten sie am Zug sein, können sie sich selbst entscheiden, wann sie „ziehen“.
Was aber hat das mit den oben erwähnten Abkürzungen zu tun?
PBM bedeutet Play-By-Mail und kam Mitte der 70er Jahre im deutschsprachigen Raum auf. Die damaligen „Plattformen“ ermöglichten es gemeinsam zu spielen, trotz geografischer Distanzen. Diese „Plattformen“ waren kleine Hefte, sogenannte Zines, die aus fotokopierten A4 Seiten bestanden, die in der Mitte zusammengeheftet, auf A5 gefaltet und dann an die Abonnenten versandt wurden. In diesen Heftchen wurden Spielstände abgedruckt, die ein Spielleiter (SL) aus den eingegangenen Zügen der teilnehmenden Spieler ermittelt hatte. Die Züge mussten zu einem bestimmten Zeitpunkt beim Spielleiter eingesandt werden, dem sogenannten Zug-Abgabe-Termin, kurz ZAT. Wurde dies versäumt, so wurde das mit einem NMR markiert, no-move-received.
Play-By-Merlin, ein nettes Wortspiel mit der Abkürzung PBM, erschien 1985. Das ganze Heft war Hand gemacht. Word gab es nicht, ersetzt wurde es durch eine Schreibmaschine, in die die Auswertungen eingetippt wurden. Tippfehler wurden mit Tipp-Ex beseitigt. Jede Auswertung war ein Unikat und konnte nur über einen Kopierer vervielfältigt werden. Sortieren, heften, falten, eintüten (das Heft in einen Umschlag packen). Adresse ausdrucken? Fehlanzeige. Meist per Hand, dann zur Post, spielen per Post eben. Ende der 80er kamen zur Unterstützung die ersten Homecomputer zum Einsatz. Atari und Commodore.
Ursprünglich entstanden ist diese Spielart aus dem Brettspiel Diplomacy. Ein Brettspiel, das die fiktiven Auseinandersetzungen vor dem 1. Weltkrieg in Europa simuliert. Bei diesem Spiel stehen allen Spielern die gleiche Anzahl von Einheiten zur Verfügung, die entweder Armeen oder Flotten darstellen (Ausnahme Russland mit 4 Einheiten). Im Gegensatz zu Risiko, bei dem militärische Konflikte mit Würfeln entschieden werden, haben bei Diplomacy alle Einheiten den gleichen Wert. Nur ein geschicktes Verhandeln, Diplomatie eben, also das Schmieden von Bündnissen mit anderen Spielern, führt zum Erfolg.
Da alle Spieler ihre geplanten Züge gleichzeitig abgeben, entsteht immer eine gewisse Unsicherheit, ob sich die Bündnispartner an die gemachten Vereinbarungen halten oder nicht, was zu emotionalen Ausbrüchen führen kann, wenn nach der Auswertung Einheiten fremder Mächte im eigenen Hoheitsgebiet stehen, obwohl etwas ganz anderes mit dem „Bündnispartner“ vereinbart war.
Und dann kam United. Ein reines Postspiel, das kein Brettspiel als Grundlage hatte und somit als das erste Postspiel bezeichnet wird. United ist die Simulation einer Fußballliga Saison und löste einen Boom in Deutschland aus wie kein zweites Postspiel und wird noch heute als Postspiel im „Dottendorfer Soccer“ angeboten.
Die steigende Zahl an Spielern hatte zur Folge, dass immer mehr Spiele für den Postspielmodus entwickelt wurden, ernste, aber auch sehr witzige Spiele auf der Grundlage von Brettspielen oder eigene Entwicklungen.
Play-by-Merlin wurde nach 145 Ausgaben Ende 1991 eingestellt, aber viele PBM-Zines haben viel länger existiert und einige existieren noch heute, dem digitalen Zeitalter trotzend. Obwohl der Versand jetzt auch per Mail möglich ist.
Eben erreicht mich die Nachricht, dass ich in einem meiner zugbasierten Spiele an der Reihe bin. Ich bin dann mal weg und hoffe, meine Zeitreise in eine Epoche, in der niemand eine Ahnung von der kommenden digitalen Revolution hatte, vielleicht mit Ausnahme von William Gibson, hat ihnen gefallen und bei denen, die dabei waren, schöne Erinnerungen wach gerufen.
Bleiben sie gesund.
Do the abbreviations ZAT or PBM mean anything to you? Or quite horrible NMR. The last time I wrote about this, I wrote that digital gaming reminds me of the era of postal games. Of course the digitalized games can be played „live“, the participants sit at home in front of their computers and play a game „together“. Connected via a platform that is used for communication during the game. But just as popular are round-based games in which the players are called (via e-mail) to make their move. The players do not have to be present at the same time, but, should it be their turn, they can decide for themselves when to „move“.
But what does this have to do with the abbreviations mentioned above?
PBM stands for Play-By-Mail and was first used in the German-speaking world in the mid 70s. The „platforms“ of the time made it possible to play together, despite geographically separated. These „platforms“ were small booklets, so-called zines, consisting of photocopied A4 pages that were stapled together in the middle, folded to A5 and then sent to subscribers. In these booklets, scores were printed, which were determined by a game master (GM) from the received moves of the participating players. The moves had to be sent in to the game master at a certain time, the so-called “Zug-Abgabe-Termin”, short ZAT (I didn’t find the English equivalent). If this was missed, it was marked with an NMR, no-move-received.
Play-By-Merlin, a nice word game with the abbreviation PBM, was published in 1985. The whole booklet was handmade. Word did not exist, it was replaced by a typewriter, into which the evaluations were typed. Typing errors were eliminated with Tipp-Ex. Each evaluation was unique and could only be duplicated using a copier. Sort, staple, fold, bag (put the booklet into an envelope). Print out the address? No chance. Usually by hand, then to the post office, play by mail. At the end of the 80s, the first home computers were used to support this. Atari and Commodore.
Originally this kind of game evolved from the board game Diplomacy. A board game that simulates the fictitious conflicts in Europe before World War I. In this game all players have the same number of units at their disposal, representing either armies or fleets (except Russia with 4 units). In contrast to Risk, where military conflicts are decided with dice, in Diplomacy all units have the same value. Only skilful negotiation, diplomacy, i.e. forging alliances with other players, leads to success.
Since all players make their planned moves at the same time, there is always a certain amount of uncertainty as to whether or not the allies will stick to the agreements made, which can lead to emotional outbursts if, after the evaluation, units of foreign powers are in one’s own territory, even though something quite different was agreed upon with the „ally“.
And then came United. A pure mail game that had no board game as a basis and is therefore called the first mail game. United is the simulation of a soccer league season and triggered a boom in Germany like no other postal game and is still offered as a postal game in „Dottendorfer Soccer“ today.
The increasing number of players resulted in more and more games being developed for the post game mode, serious but also very funny games, based on board games or own developments.
Play-by-Merlin was discontinued after 145 issues at the end of 1991, but many PBM zines have existed much longer and some still exist today, defying the digital age. Although shipping is still possible by mail.
I just got the message that it’s my turn in one of my turn-based games. I’m off and hope that my time travel to an era where no one had any idea of the coming digital revolution, maybe with the exception of William Gibson, has pleased you and brought back fond memories for those who were there.
Stay healthy.